HISTORIE DER FABRIK

HISTORIE DER FABRIK

Das Gebäudeensemble der heutigen Regenbogenfabrik entstand schon Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge der ersten Stadterweiterung Berlins. Heute steht es als Beispiel frühindustrieller Produktionsstätten unter Denkmalschutz.
Die meisten Industriehöfe seiner Art wurden in der zweiten Phase der Industrialisierung um 1920 durch mehrstöckige Bauten ersetzt.

Unser Komplex war erst ein Dampfsägewerk. Vom benachbarten Landwehrkanal angeliefertes Holz wurde hier zum Aufbau des umliegenden Quartiers verarbeitet.
Später wurden darin Leime, Lacke und andere Produkte aus Chemikalien produziert. 1981, nach einigen Jahren des Leerstandes, wurden die Regenbogenfabrik und einige Nebengebäude mit viel Unterstützung „instandbesetzt“. Dadurch wurden der Abriss und die Pläne für den Bau eines sechsgeschossigen Neubaus verhindert und das Gebäudeensemble zum Kinder-, Kultur- und Nachbarschaftszentrum ausgebaut.

Große Teile Kreuzbergs waren damals entmietet. Spekulant:innen hatten große Teile der Altbausubstanz gekauft, investierten nichts mehr und entmieteten sie systematisch. Die heruntergekommenen Mietskasernen sollten durch komfortable, aber gigantomane Neubauten ersetzt werden.
Als abschreckendes Beispiel dieser Politik ist noch heute das ehemalige NKZ (Neue Kreuzberger Zentrum) rund um das Kottbusser Tor zu bewundern. Ausdruck dieser in den Augen der damaligen Kämpfer:innen unmenschliche Wohnungsbaupolitik war auch die Planung eines Autobahnkreuzes mitten im Kiez.

Die Besetzer:innenbewegung der 1980-er Jahre in West-Berlin war nur eine von vielen und lokal sehr erfolgreich. Sie wurde schon in den 1970-er Jahren durch die kurze Besetzung des Bethanien-Krankenhauses und des noch immer alternativ genutzten Georg-von-Rauch-Hauses eingeleitet. Sie erreichte 1981 mit 160 besetzten Häusern ihren Höhepunkt. Danach wurde sie brutal zerschlagen und geschickt befriedet. Doch sie hinterließ einen langfristig wirkenden Richtungswechsel in der Berliner Wohnungsbaupolitik.
Viele der ehemals besetzen Projekte existieren bis heute.

Auch das Stadtbild Berlins ist von den Errungenschaften der Besetzer:innen geprägt. Die Politik nahm Abstand von der Abriss-Sanierung und wendete sich einer und behutsamen Stadterneuerung zu.
Diese baut auf Kleinteiligkeit, Bewohner:innenbeteiligung, Verbesserung des Wohnumfelds und des Wohnkomforts, Sicherung des sozialen Friedens und Respekt vor unterschiedlichen Interessen.
In der Folge wurden dunkle Hinterhöfe entkernt, verkehrsberuhigte Wohnstraßen entstanden und öffentliche Orte sind einladend gestaltet worden.

In der Regenbogenfabrik wurden nach und nach verschiedene Nachbarschafts–Angebote im kreativ-handwerklichen und sozio-kulturellen Bereich, sowie für Kinder und Jugendliche aufgebaut. Später kamen der Gäste-, Bildungs- und Beschäftigungsbereich hinzu. Die maroden Gebäude wurden im Laufe der Jahre instandgesetzt und modernisiert und die Höfe begrünt.
Das alles geschah und geschieht in Eigenleistung und Selbsthilfe und fast ohne öffentliche Förderung.

Nach 30 Jahren endgültig legalisiert?

Parallel zur Besetzung der Regenbogenfabrik 1981, wurde mit breiter öffentlicher Unterstützung nach Legalisierungsmodellen gesucht, um den langfristigen Erhalt des Projektes zu sichern.
Damit konnte über Jahre hinweg die Räumung des Geländes verhindert werden, gleichzeitig schienen aber langfristig erfolgreiche Vertragsverhandlungen unmöglich, da die Investor:innengruppe nach wie vor an ihrer Planung festhielt. 1984 wurde zwar im Rahmen der „Berliner Linie“, in der besetzte Häuser legalisiert oder geräumt wurden, ein befristeter Vertrag für ein Jahr geschlossen (der bis heute die einzige Vertragsgrundlage bildete!), dennoch blieb die Situation unsicher und das Projekt stand immer wieder vor dem Aus.

Dies änderte sich erst, als das Land Berlin das Gelände nach einem Abgeordnetenhausbeschluss zum „langfristigen und umfassenden Erhalt“ 1992 kaufte und es in das Vermögen des Bezirks Kreuzberg übertrug, der es dann dem Projekt zur Nutzung überließ. Der erhoffte langfristige Vertrag kam dennoch nicht zustande, da es sich um eine ehemalige Chemiefabrik handelte, was massive Umweltbelastungen zur Folge hatte, die zwar den Betrieb des Nachbarschaftszentrums nicht gefährdeten, aber das Grundwasser verseuchten.
Über Jahre hinweg konnte mit dem Bezirk keine nutzungsvertragliche Lösung gefunden werden, – obwohl dieser das Projekt als ausgesprochen unterstützenswert ansah – da die Altlastenproblematik immer wieder im Raum stand und eine einvernehmliche Lösung verhinderte.

Einerseits konnte der Verein Regenbogenfabrik keinesfalls als Erbbauberechtigter die Spätfolgen der Chemiefabrik übernehmen, andererseits sah sich der Bezirk dazu ebenso wenig in der Lage. Nachdem in den vergangenen Jahren durch die zuständige Umweltsenatsverwaltung ein Weg zu einer – zumindestens langfristigen – Sanierung des Geländes gefunden wurde, konnten die Verhandlungen wieder aufgenommen und nun endlich ein Vertrag mit einer einvernehmlichen Altlastenregelung abgeschlossen werden.

Am 5.12.2011 – 11.224 Tage nach der Besetzung 1981 und 9.989 Tage nach Abschluss des „Legalisierungsvertrages“ 1984 – wurde endlich der heiß ersehnte Erbbauvertrag für die Regenbogenfabrik mit einer Laufzeit von 30 Jahren unterzeichnet.

Nach 30 Jahren relativer Unsicherheit wurde die Regenbogenfabrik endgültig legalisiert und blickt nun hoffnungsfroh in die Zukunft weiterer 30 Jahre!

2022 feierte die Regenbogenfabrik ist 40jähriges Bestehen!